„Wenn eine Beratungsfirma das Weingut durchleuchtet, wird das Wetter auch nicht besser“
Handelsblatt 22.09.2023
Jürgen Röder
Jürgen Röder
Düsseldorf. Ende 2008 trat Jens Reidel als Chairman des europäischen Finanzinvestors BC Partners zurück – um im folgenden Jahr ein neues Abenteuer zu starten: Er kaufte das traditionsreiche Weingut „Gutsverwaltung Niederhaus-Schlossböckelheim“, das 1902 gegründet wurde, und nannte es in „Gut Hermannsberg“ um.
Mittlerweile zählen die Rieslinge mit zu den besten, die Deutschland zu bieten hat, was zahlreiche Auszeichnungen beweisen. Reidels Sohn Jasper ist als Geschäftsführer eingesetzt.
Doch hohe Qualität bedeutet nicht zwangsläufig einen hohe Rendite. Bereits vor dem Kauf war dem ehemaligen Beiersdorf-Manger klar, dass man mit einem Weingut nur langfristig Rendite erzielen kann. Entsprechend antwortet er auf die Frage, ob das Weingut Erträge bringt, scherzhaft: „Gemessen an Hektolitern: Ja.“
Weniger scherzhaft kann der 72-Jährige mit Bürokratie umgehen. „Das Gebäude des Weinguts steht unter Denkmalschutz, hinzu kommt der Brandschutz. Von den beiden Behörden kommen gegensätzliche Vorgaben.“ Reidel sieht daher Deutschland als „ein Investitionsverhinderungsland“.
Hallo Herr Reidel, hatten Sie eine Wein-Expertise, als Sie 2009 das Weingut gekauft haben?
Jens Reidel: Ich war immer Wein-Liebhaber, würde mich aber nicht als Wein-Kenner bezeichnen. Ich kannte die Gegend hier gut.
Wollten Sie auf jeden Fall irgendein Weingut kaufen oder nur Gut Hermannsberg?
Der Kauf dieses Weinguts kam aus drei verschiedenen Gründen zustande. Zum einen wollte ich ein konservatives Investment in die Landwirtschaft tätigen, das aber auch Erträge bringen sollte. Zur Erinnerung: 2009 war die Zeit nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers. Damals fragten sich viele, wie es mit der gesamten Finanzwelt weitergeht. Ich wurde damals oft gefragt, ob man nicht besser in die Landwirtschaft investiert, beispielsweise in Wälder oder Schafsherden. Größe Waldflächen gibt es in Kanada, das war meiner Frau und mir zu weit weg. In Schafsherden wollte ich auch nicht investieren. Also kauften wir ein Weingut. Die Weine hätten wir im schlimmsten Fall selbst trinken können.
Und warum dann Gut Hermannsberg?
Der zweite Punkt: Ich wollte einen Bezug zum Weingut haben. Deswegen kam auch nicht die Toskana in Italien oder Roja in Spanien infrage. Ich bin in der Pfalz aufgewachsen und war hier ganz in der Nähe im Internat. Ich kannte die Domäne hier. Wenn ich mal als Jugendlicher ausgebüxt bin, konnte man hier einen Wein trinken, ohne erwischt zu werden. Das führt zum dritten Grund: Die Liebe zum Wein.
Bringt das Weingut denn Erträge?
Gemessen an Hektolitern: Ja. Wir sind heute finanziell in der Größenordnung einer schwarzen Null. Das hatten wir damals auch so erwartet. Weinanbau ist eine Branche, die Zeit braucht. Man benötigt einen langen Atem. Man muss auch mit vielen unerwarteten Dingen rechnen. Salopp formuliert: Wenn beispielsweise eine Beratungsfirma wie McKinsey das Weingut durchleuchtet, wird das Wetter im nächsten Jahr auch nicht besser.
Als ehemaliger Private-Equity-Manager haben Sie bestimmt vor dem Kauf einen Businessplan erstellt.
Wir hatten vorher eine gute Analyse gemacht. Das Weingut war schließlich vorher über 100 Jahre im Staatsbesitz und es wurde in den vergangenen zehn bis 20 Jahren etwas vernachlässigt, um es vorsichtig auszudrücken. Ein Ergebnis der Analyse war aber auch: Wir haben Weinberge, mit denen wir Weine mit unglaublicher Qualität produzieren können, in erster Linie Riesling. Mit Riesling ist die Domäne groß geworden.
War auch eine Exit-Strategie dabei, falls es schlechter als erwartet gelaufen wäre?
Nein. Mir war völlig klar, dass dieses Investment ganz langfristig angelegt ist und es am Anfang schwierig werden dürfte. Wir haben zugunsten der Qualität auf Ertrage verzichtet, um später die optimalen Weine herstellen zu können und das dann preislich honoriert zu bekommen. Das gesamte Projekt ist auch eine generationsübergreifende Aufgabe. Ich bin hier aufgewachsen, meine Großeltern, von väterlicher und mütterlicher Seite, kommen aus dieser Gegend. Hier sind meine Wurzeln und damit auch ein Stück Heimat, weil ich hier meine Kindheit verbracht habe.