Der Spiegel

Geschäft mit dem lieben Gott

Der Spiegel - 30.08.2023
Peter Littger


 

 

Die große Terrasse, die dem Weingut Hermannsbergin der sonnigen Jahreszeit als Ort für Partys und Tastings dient, ist auch bei schlechtem Wetter eindrucksvoll. Mitten im rheinland-pfälzischen Nahetal blickt man auf einen der berühmtesten Hänge, die Deutschland als Weinland zu bieten hat: die »Schlossböckelheimer Kupfergrube«, eine »Große Lage« im Jargon heimischer Winzerinnen und Winzer.

Der helle Wein, der hier entsteht, verbreitet noch vor dem ersten Schluck einen Duft von Orange, Pampelmuse und Apfel, dazu gegerbtes Leder und ein Hauch von Schmauch, kurz nach dem Schuss. Diese als »Feuerstein« bekannte Note ist typisch für die Rieslingtraube, eine urdeutsche Spezialität. Sie kommt nicht an jedem Gaumen gut an. Aber wer sie mag, will meistens mehr.

Was die Sorte von anderen unterscheidet, ist ihre enorme Vielfalt süßer, saurer, salziger, bitterer und würziger Aromen, die in den Schalen heranreifen. Da das Nahetal schon immer etwas kühler war als etwa das Moseltal oder der Rheingau, wird hier die Erwärmung durch den Klimawandel noch als Gewinn betrachtet. Die höheren Temperaturen garantieren den deutschen Weinen die ersehnten Reifegrade. Das Mikroklima in der Kupfergrube gilt heute für den Riesling als optimal.

Entstanden war der mächtige Hügel zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Gelände einer Kupfermine: als Teil der »Königlichpreußischen Weinbaudomäne« und mit einer 100-prozentigen Ausrichtung der Rebstöcke zur Sonne. An der strengen Ordnung hat sich nichts geändert. Zu Tausenden wachsen sie in Reih und Glied.

In Jeans und kariertem Hemd steht Jens Reidel auf der leeren Terrasse gegenüber. Seit 14 Jahren hat er hier als Eigentümer das Kommando: mehr als 12 Hektar Weinberg in der Kupfergrube und 18 weitere Hektar in anderen erstklassigen Weinbergslagen.

Der 62-Jährige kam, sah und investierte, nachdem die Mainzer Landesregierung die ehemalige Staatsdomäne verkauft hatte und der erste Besitzer aufgeben musste. Reidel, der bis dahin mit teils milliardenschweren Deals in der internationalen Finanzierungsbranche viel Geld und einen Namen als »Heuschrecke « verdient hatte, erkannte 2009 eine völlig neue Chance: sein eigenes Weingut zu erfinden........

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